DE / EN

Ringvorlesung im Frühjahrssemester 2020

Rationalität und Verhaltensökonomie – Der homo oeconomicus auf dem Prüfstand

Aktueller Hinweis:

Leider müssen die weiteren Veranstaltung der Ringvorlesung bis 19. April entfallen.

 

Studierende lernen bereits zu Beginn ihres Studiums der Volkswirtschafts­lehre das theoretische Konzept des homo oeconomicus kennen – vor allem im Hinblick auf das Fällen von rationalen Entscheidungen. Gleichzeitig können wir nahezu täglich beobachten, wie Menschen sich anders als in der Theorie unterstellt verhalten. Welche Gründe gibt es dafür? An welchen aktuellen Themenstellungen arbeiten Ökonominnen und Ökonomen auf diesem Gebiet? Und wie können die neuen Er­kenntnisse letztendlich erfolgreich in Modelle mit größerem Realitätsbezug umgesetzt werden oder beispielsweise in der Wirtschaft helfen, Arbeits­abläufe zu optimieren?

Im Frühjahrssemester 2020 werden sieben geladene Referentinnen und Referenten das Thema aus unterschiedlichen, dabei stets volkswirtschaft­lich geprägten Perspektiven beleuchten und neben ihrem Vortrag auch Gelegenheit zur Diskussion geben. Ein interaktiver Workshop ist ebenfalls Bestandteil des Programms. Die Veranstaltungen finden, sofern nicht anders angegeben, jeweils von 19:00 bis 20:30 Uhr in Hörsaal SN 169 im Schlossgebäude statt. Studierende aller Fakultäten sowie externe Gäste sind zu allen Veranstaltungen herzlich eingeladen.


18. Februar 2020:
(Achtung: Die Veranstaltung findet an einem Dienstag statt! Beginn bereits um 18:00 Uhr im Hörsaal SN 169)
Prof. Dr. Axel Ockenfels (Universität zu Köln):
“Die perfekte Strategie: Künstliche Intelligenz versus Natürliche Dummheit“


Abstract:

Die Erforschung von Intelligenz und Rationalität ist eng miteinander verwoben. Herbert Simon, Wirtschafts­nobelpreisträger und ein Begründer der modernen Wissenschaft der Künstlichen Intelligenz, erklärte bereits vor Jahrzehnten die Wirtschafts­wissenschaft zu einer „Wissenschaft vom Künstlichen“. Die Spieltheorie zeigt uns, welchen Strategien rationale Spieler folgen. Doch hat man es mit realen Menschen zu tun, so ändert sich, was als intelligent und rational bezeichnet werden kann. Der Vortrag illustriert anhand zahlreicher Beispiele, wie wirtschafts­wissenschaft­liche Vorstellungen der Rationalität und computer­wissenschaft­liche Ansätze der Künstlichen Intelligenz sich gegenseitig bei der Suche nach der perfekten Strategie in einer irrationalen Welt befruchten. Die Forschung birgt großartige Chancen und gewaltige Herausforderungen.


Referent:

Prof. Dr. Axel Ockenfels studierte Wirtschafts­wissenschaft in Bonn, wechselte dann an die Universitäten Magdeburg, Penn State und Harvard, bevor er als Emmy-Noether Nachwuchs­gruppen­leiter an das Max-Planck-Institut in Jena ging. 2003 wurde er Professor für Wirtschafts­wissenschaft an der Universität zu Köln. Dort gründete er das Laboratorium für Wirtschafts­forschung und leitete bis 2007 das Energiewirtschaft­liche Institut. Nach einer Gastprofessur an der Stanford University leitet er seit 2015 das „Exzellenzzentrum für Soziales und Ökonomisches Verhalten“ der Kölner Universität. Ockenfels ist Mitglied der Europäischen, der Berlin-Brandenburgischen und der Nordrheinwestfälischen Akademie der Wissenschaften sowie der Deutschen Akademie der Technik­wissenschaften acatech, und er gehört dem Wissenschaft­lichen Beirat des Bundes­ministeriums für Wirtschaft und Energie an. Für seine Forschung erhielt er unter anderem den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungs­gemeinschaft sowie den Advanced Grant des European Research Council. Ockenfels beschäftigt sich mit Markt­design und Verhaltensforschung. Seine Expertise wird weltweit von Regierungen, Markt­plätzen und Unternehmen nachgefragt.


26. Februar 2020:
Prof. Dr. Dorothea Kübler (WZB & TU Berlin):
“Rationalität und Markt­design: Von Spendernieren, Schulplätzen und Schwarzmärkten”


Abstract:

Märkte entstehen von selbst, werden aber auch aktiv gestaltet. Das gilt auch für nicht-kommerzielle Märkte wie bspw. die Vergabe von Studien­plätzen oder Plätzen an Schulen, für die Verteilung von Spenderorganen oder für die Terminvergabe an öffentlichen Ämtern. Experimente helfen dabei, Märkte so zu gestalten, dass sie gut funktionieren. Experimente zeigen auch, wo die Grenzen von Märkten liegen und wie soziale Normen das Verhalten auf Märkten beeinflussen.


Referentin:

Prof. Dr. Dorothea Kübler ist Direktorin der Abteilung Verhalten auf Märkten am Wissenschafts­zentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professorin für Volkswirtschafts­lehre an der Technischen Universität Berlin. Sie ist Gründungs­mitglied des europäischen Netzwerkes „Matching in Practice“, Mitglied des Senats der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) und stellvertretende Vorsitzende der Einstein Stiftung Berlin. Sie hat Volkswirtschafts­lehre und Philosophie in Philadelphia, Konstanz und Berlin studiert und mit einem Diplom in Volkswirtschafts­lehre an der Freien Universität Berlin (1992) abgeschlossen. Promoviert (1997) und habilitiert (2003) hat sie an der Humboldt-Universität Berlin.

Dorothea Kübler verwendet experimentelle Methoden und die Spieltheorie, um Entscheidungs­verhalten und Markt­design zu untersuchen. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit dem Verhalten auf Märkten sowie damit verbundenen ethischen Fragen, mit Bildungs­entscheidungen und mit Diskriminierung auf dem Arbeits­markt. Sie untersucht zum Beispiel, warum viele Natur­wissenschaft­ler, Umweltaktivisten und der Papst den Handel mit Emissionszertifikaten ablehnen, warum es Schwarzhandel für Termine bei deutschen Konsulaten gibt und wie man das verhindern könnte, warum Mechatroniker in Deutschland fast immer männlich sind, warum man schlechtere Jobs bekommt, wenn man sich selbst unterschätzt, wie man sich strategisch um einen Medizin­studien­platz bewerben sollte etc.


4. März 2020:
Delphine Dard-Pourrat, M.Sc. (Gründerin und CEO von Kensho Advisory SARLS, Luxembourg):
“Behavioural Science in the Real World: With Great Power Comes Great Responsibility!”

 

Abstract:

In the last decade methods and insights from Behavioural Science have been increasingly applied to inform policy decision-making all over the world. The 2009 book ‘Nudge’, written by Thaler and Sunstein, describing an approach to manipulating the choice architecture of the people and to take advantage of predictable patterns of behaviour, has certainly contributed to this massive success. Understanding how powerful these tools could be, the private sector is now more and more embracing the behavioural way. In our digital world Technology and Behavioural Science will be more and more connected. The gold rush of massive behavioural data sets can also be a threat for modern democracies as the Cambridge Analytica scandal, the Facebook data leaks, and some viral fake news have recently shown.

It is precisely because Behavioural Science is a powerful tool, capable of changing people’s behaviour, that it matters to use it wisely. It is not only a question of ethics but also a question of public acceptance. In fact, Behavioural Science will be at the heart of many key global social questions in the 21st century such as climate change, gender equality or reduction of poverty. By helping people to save money, to stay fit, to take less risk while investing or to drive more carefully, Behavioural Science can also be of tremendous help for improving anyone’s life even through commercial use. With great power comes great responsibility!


Referentin:

Delphine Dard-Pourrat is a graduate from Sciences Po Lyon (Public Policy, Macroeconomics, Political Communication, Sociology, ...). She has been a financial and political journalist in Luxembourg, France and travelling around the world during more than a decade. She was Head of financial news of a national newspaper in Luxembourg when the 2008 financial crisis erupted. This event and what she found through her investigation during this period made her start to wonder a lot about human behaviour and how these things could possibly have gone wrong. She thus decided to resume her studies to learn more about human behaviour. She holds a MSc in Behavioural Science from the London School of Economics (LSE). Back in Luxembourg in 2017, she has founded Kensho Advisory, the only consultancy firm in Luxembourg using Applied Behavioural Economics for addressing People Analytics challenges. She is also a Founding member of Behaviour.ai, an international network of Behavioural Economists and of Behavioral Economist, an active Facebook digital platform gathering behavioural insights. She works in the fields of HR, Finance and in Public Policy.


11. März 2020:
Prof. Dr. Hannah Schildberg-Hörisch (Universität Düsseldorf):
“Tomorrow is Always the Best Day for Starting a Diet – Selbstkontroll­probleme aus ökonomischer Sicht”


Abstract:

Die meisten Menschen neigen dazu, notwendige, aber unliebsame Aufgaben aufzuschieben anstatt sie sofort anzugehen. Auch Versuchungen wie süßem Nachtisch oder dem abendlichen Bier oder Wein halten viele Menschen nicht in dem Maße stand, wie sie es sich selber wünschen. Selbstkontroll­probleme sind uns also bestens vertraut. Im Homo Oeconomicus Modell und in der zugrundeliegenden Rationalitätsannahme hingegen haben Selbstkontroll­probleme keinen Platz. Welche Ansätze gibt es in der Verhaltensökonomie, um Selbstkontroll­probleme empirisch zu messen? Warum haben manche Menschen stärkere Selbstkontroll­probleme als andere? Und wie prägt Selbstkontrolle unseren Lebens­weg, also z. B. unser Bildungs­niveau, den Erfolg auf dem Arbeits­markt, unsere Gesundheit und Lebens­zufriedenheit? Wie lassen sich Selbstkontroll­probleme umgehen? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Vortrags.


Referentin:

Prof. Dr. Hannah Schildberg-Hörisch ist Professorin für Volkswirtschafts­lehre, insbesondere Verhaltensökonomie und Empirische Wirtschafts­forschung am DICE, Universität Düsseldorf. Übergeordnetes Ziel ihrer Forschung ist ein besseres Verständnis individueller Entscheidungen als Voraussetzung für das Design erfolgreicher Institutionen und Politikmaßnahmen. Ihre zentralen Forschungs­themen sind die Verhaltensökonomie, die Bildungs- und Arbeits­ökonomie sowie soziale Ungleichheit. Methodische Schwerpunkte liegen im Bereich der angewandten Mikroökonometrie sowie auf Labor- und Feldexperimenten. Nach dem Studium der Volkswirtschafts­lehre in Heidelberg und Mannheim hat sie an der LMU in München promoviert und war PostDoc in Bonn. Auslands­aufenthalte haben Sie nach Berkeley, Stockholm und Sydney geführt.


25. März 2020:
(Achtung: Abweichender Raum: SO 318, Beginn wie üblich um 19:00 Uhr)
Stef Kuypers (Happonomy VZW, Leuven):
Interaktiver Workshop und Diskussion (in englischer Sprache)


Abstract:

Most economic textbooks today still refer to the “homo economicus”, the rational economic man or woman which always uses all information available to make rational choices that are always in their own self interest. But are we truly as rational as we think we are? And do we always behave in our own self interest? This interactive workshop puts that premise to the test by playing a simple card game. The game will be played twice, and only the way money is brought into the game and is taken out again, will change. Will we always make the rational choices homo economicus would make or do we behave differently?


Workshop-Leitung:

Stef Kuypers started his career in IT. After working in the fields of creative thinking, improvisation and business interventions he dove into economics, monetary systems, complexity theory and human behaviour. Today he researches how monetary systems influence both our individual behaviour and how it affects the way we organise our society. At Happonomy he works on building an economic system to support the quality of human life.


1. April 2020:
Prof. Dr. Florian Zimmermann (Universität Bonn):
“Bounded Rationality and Belief Formation”


Abstract:

The way bounded rationality affects the process of belief formation has been an active area of research in the last decades. In the first part of this talk, I will provide a selective survey of this research. In the second part, I will highlight recent developments in this literature with an emphasis on the role of memory for belief and expectation formation.


Speaker:

Florian Zimmermann is Professor of Economics at the University of Bonn and Research Director at the Institute on Behavior and Inequality (briq). He conducts research in behavioral, experimental and labor economics. Before joining briq, he spent four years at the University of Zurich as a Postdoctoral Researcher. He was a visiting scholar at the University of California San Diego (UCSD) and Harvard University. Florian Zimmermann graduated with a PhD in economics from the University of Bonn after studying economics at the University of Mannheim and the University of California Los Angeles (UCLA). For his research, he was awarded the CESifo Prize in Behavioral Economics and was a runner-up for the Hillel Einhorn Award by the Society for Judgment and Decision Making.


6. Mai 2020:
Prof. Dr. Nora Szech, Karlsruher Institut für Technologie (KIT):
“Competing Image Concerns: Pleasures of Skill and Moral Values”


Abstract:

We study how two competing sources of positive image – the desire to appear skillful vs. moral – affect moral decision making. In four experimental conditions we vary the perceived importance of skill as well as moral relevance. In all conditions, participants completed an IQ test. To vary perceived importance of the skill motive, we either framed the IQ test as an “IQ test”, or as a simple “questionnaire”. Variation in moral consequences was implemented in adding negative externalities in response to correctly answered questions. Our results show that the desire for documenting skillfulness causally reduces moral behavior.


Speaker:

Nora Szech holds the Chair for Political Economy at the Karlsruhe Institute of Technology (KIT). She works on market and competition design, with a focus on welfare implications and morally relevant behavior, combining theoretical as well as empirical research methods. The applications of her work range from auction design over labor markets and diversity to ethical consumption and health. Her work has been published in leading interdisciplinary outlets as well as in leading field journals (such as Science, Management Science, The Review of Economic Studies, Journal of Economic Theory). Before she joined the KIT in 2013, Nora Szech was Professor for Industrial Economics at the University of Bamberg. She did her postdoc (Akademischer Rat) at the Chair of Benny Moldovanu at the University of Bonn (from 2010 to 2012), where she also did her PhD – as a scholar of the Bonn Graduate School of Economics (BGSE).