Paul Gans war von Oktober 1996 bis Februar 2017 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographie, Abteilung Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim.
Paul Gans, geb. 1951, war von Oktober 1996 bis Februar 2017 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographie, Abteilung Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim. Nach dem Studium in Mannheim (Mathematik, Geographie) war er an verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen tätig: Geographische Institute der Universitäten Kiel und Hamburg sowie Erfurt, Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig. Er nahm mehrere Gastprofessuren in Argentinien und Chile wahr. Seine Forschungen und Projekte haben vor allem Themen zu Bevölkerung und Stadt als Schwerpunkte. Er gehörte verschiedenen Gremien an, z. B. dem Senat sowie dem Senatsausschuss Evaluation der Leibniz-Gemeinschaft (2006–2014), dem Wissenschaftlichen Beirat des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2010–2014), dem Kuratorium des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (2008–2017), dem Kuratorium Nationale Stadtentwicklungspolitik des BMUB, vormals BMVBS, (2012–2015) sowie dem Wissenschaftlichen Beirat des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (2015 2021). Zudem war er Mitglied im Beirat der „Geographischen Rundschau“ sowie den Beiräten der internationalen Fachzeitschriften „Population, Space and Place“ sowie „Comparative Population Studies“.
Bevölkerungs- und Stadtforschung, insbesondere in Deutschland und in der Europäischen Union
Die räumliche Verteilung der Bevölkerung nach Zahl und Struktur stellt einen wichtigen Bezug jeglicher regionaler Entwicklung dar. Sie prägt die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, beeinflusst die Angebotsseite des Arbeitsmarktes. In weiten Teilen Deutschlands ist die Dynamik der Bevölkerungsverteilung von Alterung und Heterogenisierung gekennzeichnet. Zudem stehen Regionen mit steigenden Einwohnerzahlen solchen mit sinkenden gegenüber und führen hier wie dort zu spezifischen Herausforderungen, z. B. die Sicherung der Daseinsvorsorge, die Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte oder die Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern.
Die Forschungen zielen mit Hilfe quantitativer wie qualitativer Vorgehensweisen auf die Strukturen und Prozesse, welche der räumlichen Differenzierung der Bevölkerungsentwicklung zugrunde liegen. Z. B. verzeichneten seit etwa 2000 die Großstädte in Deutschland eine Bevölkerungszunahme. Zugleich ist eine ausgesprochene Polarisierung von wachsenden und schrumpfenden Städten zu beobachten. Welche Bevölkerungsgruppen tragen wesentlich zu diesem Reurbanisierungsprozess bei? Welche Akteure und welche stadtspezifischen Bedingungen spielen eine Rolle? Welche Herausforderungen ergeben sich aus dem Wachstum auf der einen und der Schrumpfung auf der anderen Seite für die Stadtentwicklung?
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Bezug aller Schriften über:
Prof. i. R. Dr. Paul Gans
Abteilung Volkswirtschaftslehre
Universität Mannheim
68131 Mannheim
E-Mail: paulgans[at]uni-mannheim.de
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Gans, P.; Horn, M.; Zemann, C. (Hrsg.):
Sportgeographie. Ökologische, ökonomische und soziale Perspektiven. Berlin 2023. Springer Spektrum.
XIX, 431 S. 100 Abb. In Farbe.
Druckausgabe brosch. ISBN 978-3-662-66633-3. 39,99 Euro.
eBook ISBN 978-3-662-66634-0
link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-66634-0
Von Skateboarden auf einer selbst gebauten Halfpipe bis zu Olympischen Spielen – Sport hat viele Facetten, und die Wirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft sind immens. Im Buch „Sportgeographie. Ökologische, ökonomische und soziale Perspektiven“ beschäftigen sich 30 Autorinnen und Autoren in 24 Beiträgen mit vielfältigen Fragestellungen zu Sport und Geographie.
Sport ist mit Bewegung verknüpft und diese braucht Räume: Stadien und Schwimmhallen, naturnahe Landschaften, städtische Grünanlagen, Straßen, Gebäudefassaden oder Industriebrachen. Sport ist dynamisch, neue Formen sportlicher Aktivitäten entstehen, bestehende differenzieren sich aus: Jogging, Slacklinen, Bike-Polo, Stadtmarathon, Buildering oder Freerunning. Die Ausübung dieser Trendsportarten ist im Vergleich zum traditionellen Sport zumeist nicht an Sportstätten gebunden, sondern Sporttreibende eignen sich Orte oftmals selbst an. Raumansprüche und Raumwirksamkeit ändern sich.
Die vielfältigen Formen von und Motive für Sport erschweren eine Begriffsbestimmung. Sport ist das, was ein Mensch darunter versteht. Damit rücken Sporttreibende und deren individuelles Handeln im Raum in den Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses. Die vielfältigen Beziehungen zwischen Sport und Raum sind Erkenntnisobjekt sportgeographischer Forschung, welche unter Beachtung ökologischer, ökonomischer und/
Der Band gliedert sich in fünf Kapitel. In „Raum und Sport“ wird die Anwendung der vier Raumkonzepte der Deutschen Gesellschaft für Geographie zur Analyse sportlicher Aktivitäten aufgezeigt. Warum und wo werden Natursportarten betrieben? Führt die Raumwirksamkeit zu Konflikten mit dem Naturschutz? Trendsportarten sind die Speerspitze des Wandels im Sport. Spezifische Formen der Raumaneignung sind Nomadentum, Zwischenmiete und Entrepreneurship. Eine explorative Studie von Mitgliedern einer Wandergruppe aus dem Elsass und Baden-Württemberg zeigt, dass infolge des gemeinsamen Sports in beiden Ländern Grenzüberschreitungen heute als etwas Selbstverständliches wahrgenommen werden.
Im Kapitel „Ökologie und Sport“ wird ein Überblick zu den ökologischen Auswirkungen des Sports anhand des Sporttreibens selbst, des Baus von Sportanlagen und insbesondere der Sportgroßveranstaltungen gegeben. Zur Kompensation der Verkürzung der Skisaison infolge des Klimawandels findet in den alpinen Skigebieten eine flächendeckende Beschneiung statt, deren ökologische Wirkungen u. a. Wasserkonflikte und den Verlust an Biodiversität verursachen. Die wachsende Relevanz von Nachhaltigkeitskonzepten am Beispiel der Olympischen Sommerspiele in Sydney (2002), London (2012) und Brisbane (2030) dokumentiert, dass die Umsetzung einzelner Projekte zwar die ökologische Belastung reduzieren, aber nicht vermeiden kann. Empfohlen wird u. a. keine weitere Ausweitung der Großereignisse. Am Beispiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar wird die facettenreiche Instrumentalisierung des Sports in Bezug auf ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Ziele des Staates deutlich.
Im Kapitel „Ökonomie und Sport“ werden die regionalwirtschaftlichen Impulse, die von 320 Veranstaltungen des Jahres 2014 auf dem Hockenheimring ausgehen, auf Basis empirischer Erhebungen zum Ausgabeverhalten der Besucherinnen und Besucher geschätzt. Sportliche Aktivitäten erzeugen Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen, schaffen sportbezogene Arbeitsmärkte, deren Ausprägung regional differenziert. Auf Basis einer Kosten-Nutzen-Analyse werden die Impulse von Sportgroßveranstaltungen für die Bekanntheit und das Image von Hamburg bewertet. Die „vitale Sportstadt“ verfolgt zudem eine Activ-City-Strategie, die die Sportbedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt und Sportangebote in die Stadtentwicklungsplanung integriert. Am Beispiel von Borussia Mönchengladbach wird die Bedeutung eines professionellen Sportvereins für die Bekanntheit und das Image einer Stadt aufgezeigt.
Im Kapitel „Gesellschaft und Sport“ werden z. B. die Auswirkungen des Frauenfußballs auf gesellschaftliche Strukturen und Rollenverteilungen in einer patriarchalisch geprägten Umwelt dargestellt. Globale Netzwerke prägen die sportbedingte internationale Migration am Beispiel des Profifußballs. Welche Interessen haben die bei einem Vereinswechsel involvierten Akteure? Sport verfügt über ein hohes sozial-integratives Potenzial, denn Bewegungsräume sind auch Begegnungsräume. Diese Eigenschaft nutzen die Netzwerke „Miteinander Turnen“ und „Midnight Sports“ in der Schweiz zur sozialen Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. In benachteiligten städtischen Quartieren fehlen oftmals Sportangebote für Kinder und Jugendliche. Am Beispiel der Stadt Bonn wird mit einer Sozialraum- und Mängelanalyse gezeigt, wie mit Sport- als Teil der Stadtentwicklungsplanung dieser Ungleichwertigkeit der Quartiere gegengesteuert werden kann. Vom Sport gehen soziale Wirkungen auf die Bevölkerung aus. Eine vergleichende Betrachtung von Hockenheimring und 1. FC Kaiserslautern zeigt, dass die Intensität von Zusammengehörigkeitsgefühl und regionaler Identität von der Größe, dem Prestige und der Ausstrahlung der Sportveranstaltungen abhängig ist. Die Reisemotive deutscher Fußballfans beim Besuch der Fußball-WM 2014 in Brasilien legen offen, dass es sich um einen sportorientierten Veranstaltungsurlaub handelt. Soziale Wirkungen des passiv erlebten Sports stehen im Vordergrund.
Im Kapitel „Planung und Sport“ wird die Diskrepanz zwischen dem heutigen Sportstättenangebot und dem zukünftigen Bedarf angesichts des demographischen Wandels und der Änderungen im Sportverhalten thematisiert. Bewegungsfreundliche Lebensräume schaffen, ist Ziel eines Bewegungsraum-Managements. Mit diesem kooperativen Ansatz der Stadtentwicklung kann die Stadtplanung auf sich ändernde Raumansprüche des Sports umfassend reagieren. Sind Sportgroßveranstaltungen Impulsgeber für die Stadterneuerung der Veranstaltungsorte? Die Olympischen Sommerspiele in Tokio 2020/
Der Band gibt einen umfassenden Überblick über die vielfältigen Formen des Sports mit seinen Wirkungen aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Perspektive. Die Beiträge haben inhaltliche Schnittmengen zu Umwelt- und Naturschutz, zu Hydrologie, zu Wirtschafts-, Stadt- und Sozialgeographie, zur Politischen Geographie, zu Stadtplanung und Regionalentwicklung. Die inhaltliche Breite wird von einer Vielfalt empirischer Forschungsmethoden in den Beiträgen ergänzt.
WOHNUNGSMÄRKTE IN BADEN-WÜRTTEMBERG: ENTWICKLUNG, DIFFERENZIERUNG, HINTERGRÜNDE, HERAUSFORDERUNGEN (2012–2019)
Gliederung
1 Wohnungsmarktentwicklung Baden-Württemberg – ein Überblick und Vergleich auf Länderebene (2012–2019)
2 Wohnungsmarkt Baden-Württemberg – eine räumliche Perspektive
2.1 Wohnungsnachfrage
2.1.1 Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung (2012–2019)
2.1.2 Einkommen der privaten Haushalte (2012–2018)
2.1.3 Wohnflächenkonsum (2012–2019)
2.2 Wohnungsangebot
2.2.1 Wohnungsbautätigkeit (2012–2019)
2.2.2 Art der Bautätigkeit (2012–2019)
2.2.3 Bestand von Wohngebäuden und Wohnungen (2012–2019)
3 Immobilienpreise und ihre Entwicklung für Bauland und baureifes Land (2012–2019)
4 Fazit
Literatur
Kurzfassung
Der Beitrag gibt in Abhängigkeit der siedlungsstrukturellen Kreistypen einen Überblick über die räumliche Entwicklung der Wohnungsmärkte in Baden-Württemberg von 2012 bis 2019. Die Daten stammen aus den Regionaldatenbanken des Statistischen Bundesamtes und des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg. Nach einem Vergleich der Wohnungsmarktentwicklung in Baden-Württemberg mit derjenigen in den anderen Ländern wird auf die Dynamik der Nachfrage- und Angebotsseite der Wohnungsmärkte sowie auf die Immobilienpreise eingegangen. Das Fazit fasst die Kernergebnisse in zehn Punkten zusammen. Hervorzuheben sind Wohnungsknappheit und überdurchschnittlicher Bedarf an bezahlbaren Wohnungen in den Großstädten. Sub- und Desurbanisierungsprozesse verstärken sich, Reurbanisierungsprozesse schwächen sich ab. Ausgewählte Maßnahmen zur Linderung der Anspannung der Wohnungsmärkte und ein Ausblick zu den Folgen der Corona-Pandemie wie der zukünftigen Zinsentwicklung für Wohnimmobilien schließen den Beitrag ab.
Schlüsselwörter
Entwicklung der Wohnungsmärkte – räumliche Differenzierung – Wohnungsknappheit – bezahlbarer Wohnraum – Kaufwerte für Bauland und baureifes Land – Reurbanisierung – Suburbanisierung – Desurbanisierung – Zinsentwicklung
HOUSING MARKETS IN BADEN-WURTTEMBERG: DEVELOPMENT, DIFFERENTIATION, BACKROUNDS, CHALLENGES (2012–2019)
Abstract
The contribution provides an overview of the spatial development of the housing markets in Baden-Württemberg from 2012 to 2019, depending on the types of settlement structure. The data are coming from the regional databases of the Federal Statistical Office and the Statistical Office of Baden-Württemberg. After a comparison of the development of the housing market in Baden-Württemberg with that in the other federal states, the dynamics of the demand and supply side of the housing markets as well as the real estate prices are discussed. The conclusion summarizes the results in ten points. The shortage of housing and the above-average need for affordable housing in the larger cities should be emphasized. Sub- and deurbanization processes are intensifying, re-urbanization processes are weakening. Selected measures to alleviate the tension in the housing markets and an outlook on the consequences of the corona pandemic and the future development of interest rates for residential real estate conclude the contribution.
Keywords
Development of the housing markets – spatial differentiation – housing shortage – affordable housing – purchase value for building land and for ready for building areas – reurbanization – suburbanization – desurbanization – interest rate development
Gans, P. (2023): Wohnungsmärkte in Baden-Württemberg: Entwicklung, Differenzierung, Hintergründe, Herausforderungen (2012–2019). In: Fricke, A.; Held, T.; Schmitz-Veltin, A. (Hg.): Wohnen in Großstadtregionen Baden-Württembergs – Herausforderungen in Wachstumsregionen. Arbeitsberichte der ARL 36, Hannover, S. 10–45.
Ludwigshafen am Rhein – eine der jüngsten Großstädte Deutschlands
Ludwigshafen am Rhein ist eine junge Stadt. 1853 als selbstständige Gemeinde gegründet, wurde sie bereits 1859 zur Stadt erhoben. Ihre Entwicklung ging aus der Festungsanlage „Rheinschanze“ auf der linken Rheinseite gegenüber der kurpfälzischen Residenz- und Hauptstadt Mannheim hervor, wo sich nach Wegfall der militärischen Funktionen 1801 die Vorteile beider Standorte am Rhein für den Handel voll herausbildeten. Der konsequente Ausbau des Verkehrsnetzes im 19. Jahrhundert stärkte die Erreichbarkeit des Knotens Ludwigshafen auf pfälzischer Seite und war ein wesentlicher Faktor für die weitere Entwicklung zur Industriestadt, geprägt von Unternehmen der Chemiebranche. Mit der wirtschaftlichen Dynamik der Kommune ging ein hohes Bevölkerungswachstum einher, Ludwigshafen wurde zur Boomstadt und überflügelte die älteren linksrheinischen Städte wie Speyer oder Worms innerhalb von drei Jahrzehnten in beträchtlichem Maße nach der Einwohnerzahl und seiner wirtschaftlichen Bedeutung für Bayern. Ende des 19. Jahrhunderts war Ludwigshafen die größte Stadt in der bayerischen Pfalz.
Ludwigshafen fehlt zwar aufgrund des jungen Alters eine Altstadt wie in Heidelberg oder ein barockes Zentrum wie in Mannheim, doch sind in der Stadt wertvolle städtebauliche Zeugnisse zu finden, die charakteristische Phasen der Stadtentwicklung in Deutschland seit den 1870er Jahren repräsentieren und in Ludwigshafen wesentlich vom Wohnungsbau bestimmt sind (Düwel/Gutschow 2001). Die Vielfalt der Quartiere spiegelt mit ihren jeweiligen städtebaulichen Eigenschaften zum einen sich ändernde Wohnvorstellungen als Ausdruck des gesellschaftlichen Wandels in Deutschland wider, zum andern den Einfluss von Staat und Kommunen mit wechselnden Zielen in der Wohnungspolitik, von privaten Investoren, Reformvorstellungen oder großstadtfeindlichen Ideologien auf die Stadtentwicklung: die mit Gründung des Kaiserreiches 1871 sich verstärkende Verstädterung infolge der sich beschleunigenden Industrialisierung, damit verbunden der von Bodenspekulation getriebene Wohnungsbau als Resultat eines „freien“ Wohnungsmarktes, begleitet von untragbaren Wohnverhältnissen in den Mietskasernenquartieren, das Aufkommen der „sozialen“ Wohnungsfrage, aber auch privater Initiativen zur Lösung dieser Herausforderungen, wie die Gründung von Baugenossenschaften zur Umsetzung der Gartenstadt-Idee von Ebenezer Howard oder der Bau von Werkswohnungen.
Die Gründung der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GAG am 16. Juni 1920 steht für den Wandel der Wohnungspolitik während der Weimarer Republik nach 1918. Die Wohnungsfrage wird als sozialpolitische Problemstellung begriffen, deren Lösung nach Überzeugung der Politik staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt und direkte Förderung des Wohnungsbaus bedingt. Beispiele für den Städtebau sind in Ludwigshafen die großzügige Anlage der Ebertsiedlung, realisiert von 1927 bis 1929, als Ausdruck des „Neuen Bauens“, und etwas später der Bau der Westendsiedlung mit Kleinwohnungen für Haushalte mit geringem Einkommen.
Die Nationalsozialisten zogen sich aus der direkten Wohnungsbauförderung zurück. Freie Marktwirtschaft und Privatinitiative sollten z. B. mit Hilfe von Reichsdarlehen zu Marktbedingungen die Wohnungsfrage lösen. Ziel war ein Städteumbau. Leitbild waren als Ausdruck großstadtfeindlicher Einstellungen aufgelockerte Siedlungsstrukturen, mit denen die „Verbindung des deutschen Menschen mit der Heimatscholle“ erreicht werden sollte. Beispiele in Ludwigshafen sind Niederfeldsiedung sowie Notwende. Doch konnte die Anlage von Kleinsiedlungen den bestehenden Wohnungsbedarf bei weotem nicht beseitigen. Das Regime beschloss daher 1935 den Bau billigster Mietwohnungen, sogenannter Volkswohnungen, wie sie im Österreichischen oder Grazer Viertel zu finden sind. Aber die Priorisierung der Kriegsvorbereitungen entzog dem Wohnungsbau Ressourcen, sodass Projekte zeitlich verzögert oder gar nicht realisiert wurden. Ende des Krieges waren 36,4 Prozent des Wohnungsbestandes völlig und 10, 5 Prozent teilweise zerstört.
Diese knappe Übersicht zur Wohnungs- und Siedlungsentwicklung Ludwigshafens bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges verdeutlicht, dass Städte ein gebautes Gedächtnis darstellen. In ihren Wohnquartieren manifestieren sich gesellschaftliche Änderungen und Umbrüche in den politischen Verhältnissen, der Wirtschafts- und Sozialstruktur, den stadtplanerischen Vorstellungen und Entwicklungslinien als spezifische städtebauliche Erinnerungen. Ludwigshafen steht beispielhaft für die Entwicklung der Großstädte in Deutschland mit Beginn der Industrialisierung, mit dem besonderen Stellenwert von Werkswohnungsbau und der Bautätigkeit der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. Übergeordnetes Ziel der nachfolgenden Ausführungen ist das Aufzeigen des zeitgeschichtlichen Kontextes in den drei Phasen der Stadtentwicklung mit ihren jeweiligen städtebaulichen Leitbildern am Beispiel ausgewählter städtischer Quartiere in Ludwigshafen.
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